http://www.ez-online.de/ueberregional/kultur/kultur/Artikel113552.cfm Vor 100 Jahren wurde Comic-Künstler Floyd Gottfredson geboren - 45 Jahre lang hat er die Abenteuer von Micky Maus gezeichnet Von Axel Recht Los Angeles - Wie bei vielen bekannten Disney-Zeichnern spielte bei Floyd Gottfredson der Zufall eine entscheidende Rolle. Ausgerechnet das Wappentier des Konzerns, Micky Maus, sollte sein Schicksal werden und ihn ein Leben lang nicht loslassen. Ähnlich wie Carl Barks, einer der begnadetsten "Enten-Zeichner", wurde Gottfredson noch zu Lebzeiten zur Legende. Zunächst schrieb und zeichnete er in der Anonymität aller Disney-Angestellten bis 1975 mehr als 45 Jahre lang Geschichten mit der berühmtesten Maus der Welt für Disneys Zeitungsstrip-Abteilung. Erst Mitte der 70er-Jahre wurde er von Comic-Fans "enttarnt" und sein Name einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Morgen wäre Floyd Gottfredson 100 Jahre alt geworden. Schon als Kind ein Comic-Fan Geboren wurde er in Kaysville im US-Bundesstaat Utah in einer Bahnstation. Sein Großvater regelte dort als Vorsteher den Eisenbahnverkehr. Als Kind begeisterte sich Floyd für Comics und das junge Medium Film. So lag es auf der Hand, dass er bereits im Teenageralter als Vorführer im Kino und als Cartoonist für einige Tageszeitungen in Utah seine ersten Dollars verdiente. Für seinen späteren Beruf als Comic-Zeichner bei der Disney Company nannte er zwei Schlüsselerlebnisse. "Mein Onkel erkannte mein Zeichentalent und bestärkte mich, Fernkurse an der Landon School of Cartooning & Illustrating in Cleveland zu belegen", erinnerte sich Gottfredson. Mit 23 Jahren beteiligte er sich am nationalen Cartoon-Wettbewerb der American Tree Association und belegte auf Anhieb den zweiten Platz. Davon angespornt fuhr er nach Los Angeles, um im Hot Spot der Cartoon-Szene sein Glück zu versuchen. Anfangs ohne Erfolg. Die sieben Lokalblätter hatten keinen Bedarf, also zeigte Floyd wieder Filme, bis "sein" Kino Ende 1929 einer neuen Straße weichen musste. Zufällig schlenderte er damals die "Film Row" (Vermont Avenue, wo die großen Filmverleihfirmen saßen) entlang und entdeckte im Schaufenster das Plakat einer Trickfilm-Figur mit schwarzen Segelohren, die er nicht kannte. Deren "Väter", Walt Disney und Ub Iwerks, waren ihm allerdings ein Begriff, denn im Kino hatte er viele ihrer Trickfilme mit "Oswald, the lucky rabbit" gezeigt. Gottfredson erfuhr, dass Disney Zeichner suchte für die neue Figur, jene zaundürre, kleine Anarcho-Maus aus dem Schaufenster, die im November 1928 ihren ersten erfolgreichen Leinwandauftritt gehabt hatte. Floyd ergriff die Gelegenheit beim Schopf und "am Nachmittag hatte ich den Job". Nicht als Comic-Zeichner, denn "das redete mir Disney wegen mangelnder Zukunftsperspektiven und schlechter Bezahlung gleich wieder aus; ich begann als Animationsassistent beim Trickfilm". Dieser Job fand nach vier Monaten ein schnelles Ende, weil Disney dringend einen fähigen Zeichner für die täglichen Micky-Maus-Zeitungsstrips suchte. Gottfredson übernahm aushilfsweise die Aufgabe, die auf zwei Wochen befristet war: "Nach einem Monat fragte ich mich, ob Walt unsere Abmachung vergessen hatte, und nach zwei Monaten hoffte ich, dass er sie vergessen hatte." Am 5. Mai 1930, seinem 25. Geburtstag, erschien Gottfredsons erste eigene Geschichte mit dem Mäuserich, der ihn bis zur Pensionierung im Oktober 1975 begleiten sollte. In dieser Zeit erdachte er Mickys Co-Stars wie Kommissar Hunter, Gamma oder das Phantom. Dazu kamen seine verfeinerten Versionen bestehender Figuren - von Minni Maus über Goofy und Pluto bis zu Mickys Gegenspieler Kater Karlo. Trotz dieser phantasievollen Erfindungen war Gottfredsons größter Verdienst Micky Maus selbst. Er sah seinen Helden als "kleine Maus gegen den Rest der Welt", sagt der Comic-Experte Wolfgang J. Fuchs: als unbeirrbar optimistischen, zwar nicht perfekten, aber wild entschlossenen Jüngling, der stets versucht, in schwierigen, oft beängstigenden Lagen zu bestehen. Um die Spannung hoch und die Leser bei der Stange zu halten, begann Gottfredson, Mickys Abenteuer als Fortsetzungsserie zu entwerfen und sich so dem Diktat der "Einseiter" mit obligatorischem Abschluss-Gag zu entziehen. Trotz des Erfolgs hatte Gottfredson später einige Dämpfer hinzunehmen. 1955 musste er wegen des neuen Konkurrenzmediums Fernsehen und auf Druck des Pressevertriebs King Features Syndicate die Arbeit an den Fortsetzungsgeschichten beenden und stattdessen heitere Tagesstrips produzieren; mit Micky als angepasstem, bravem Biedermann, der spätestens jetzt in der Beliebtheit von Donald Duck überholt wurde. Im Ruhestand näherte sich Gottfredson seiner "Maus" mit Aquarellfarben. "Micky kam mir wie ein Fremder vor und ich musste erst lernen, ihn wieder richtig zu zeichnen. Danach war es, als hätte ich einen alten Freund wieder getroffen." Der strenggläubige Mormone Gottfredson starb am 27. Juli 1986. Zum 100. Geburtstag von Floyd Gottfredson ist bei Egmont Ehapa als Nummer 216 ein Donald-Duck-Sonderheft erschienen